iMSL – Intelligent Material Systems Lab – Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme an der Universität des Saarlandes

Formgedächtnislegierungen

Formgedächtnislegierungen (FGL)

Formgedächtnislegierungen, zumeist aus NiTi, lassen sich bei tiefen Temperaturen bleibend verformen, um bei Erwärmung wieder in ihre Ausgangsform zurückzukehren. Diese Ausgangsform lässt sich durch eine Wärmebehandlung vielfältig einstellen, so dass sich mit NiTi z.B. tordierende und sich biegende Röhren realisieren lassen, genauso wie sich kontrahierende Drähte oder auch Federn. Der Mechanismus, der dem Formgedächtniseffekt zugrunde liegt, ist eine last- und temperaturabhängige Umwandlung im Kristallgefüge der Legierung zwischen Austenit- und Martensitphasen.

Formgedächtnislegierungen gliedert sich in die folgenden Teilbereiche auf:

  • Experimentelle Charakterisierung des thermo-elektro-mechanischen Materialverhaltens

  • Entwurf von Aktor-/Sensorsystemen

  • Aufbau von Technologiedemonstratoren

  • Untersuchung des Self-Sensing-Effektes zum Aufbau kompakter, sensorloser Aktorsysteme

  • Modellierung FGL-basierter Aktor-/Sensorsysteme

  • Entwicklung fortgeschrittener Ansteuerkonzepte für FGL

  • Entwicklung miniaturisier- und integrierbarer Elektronikkonzepte

Grafik zur Funktionsweise von Formgedächtnislegierungen (FGL)

Effektdemonstration

Aktorik und Sensorik

Für aktorische Zwecke wird das Heizen typischerweise durch die Joulesche Wärme eines durch einen FGL-Draht fließenden elektrischen Stroms bewirkt, während die Abkühlung i.d.R. passiv durch Konvektion oder Konduktion stattfindet. FGL besitzen die höchste Energiedichte aller bekannten Aktormechanismen und gestatten dadurch den Aufbau extrem kompakter, leichtgewichtiger und geräuscharmer Antriebssysteme, meist in Form von Drähten oder Drahtbündeln, man findet aber auch Federn oder Röhrchen. Misst man während der Aktuierung gleichzeitig den elektrischen Widerstand, lässt sich dieser meist mit der Drahtkontraktion korrelieren und als Sensorsignal für die Position verwenden („self-sensing“). Dadurch lässt sich ohne externe Sensoren eine geregelter Aktorbetrieb realisieren. Abhängig vom Drahtdurchmesser und dem dadurch vorgegebenen, für die Abkühlrate verantwortlichen Oberflächen/Volumen-Verhältnis lassen sich typischerweise erhältliche Drähte (25µm<d<500µm) in ruhender Luft im Bereich von ca. 30Hz bis wenige Millihertz betreiben.

Elastokalorik

Als eine klimafreundliche und extrem energieeffiziente Technologie zum Heizen und Kühlen, stellt Elastokalorik laut US Department of Energy und EU Kommission derzeit die zukunftsträchtigste Alternative zu konventionellen Kältekompressionsverfahren dar. Unser Lab hat in sechsjähriger Forschungsarbeit einen ersten kontinuierlich laufenden Technologiedemonstrator zur Kühlung und Erwärmung von Luft entwickelt und diesen auf diversen Konferenzen sowie der Hannovermesse 2019 ausgestellt. Die Technologie beruht auf der mechanischen Be- und Entlastung superelastischer Formgedächtnislegierungen (z.B. NiTi) und den dabei freiwerdenden und absorbierten latenten Wäremen, die Phasenumwandlungen in der zugrundeliegenden Kristallstruktur begleiten. Luft kann hierdurch ohne klimaschädliche Kühlmittel direkt gekühlt oder geheizt werden, beste Materialien versprechen derzeit maximale Wirkungsgrade (COP) von 30.

Elastokalorischer Luftkühldemonstrator

Elastokalorischer Luftkühldemonstrator

Elektromechanische Eigenschaften

Zur Auslegung von FGL-Systemen ist es zunächst erforderlich, ihr Materialverhalten genau zu kennen. Dazu haben wir eine Reihe moderner Testgeräte (zum Teil selbst entwickelt) zur Verfügung, um das thermo-elektro-mechanisch gekoppelte Verhalten systematisch zu charakterisieren. Zur Charakterisierung gehören u.a. Zugversuche bei denen neben Kraft und Weg auch elektrischer Strom und Spannung gemessen werden, um aktorische und sensorische Eigenschaften erfassen zu können. Speziell für die Charakterisierung von Mikrodrähten mit Durchmessern hinab bis 20µm haben wir ein Testgerät entwickelt, dass auch bei Temperaturen bis zu 120°C betrieben werden kann. Weiterhin haben wir spezielle, mit Thermographiekameras ausgerüstete Prüfstände entwickelt um das elastokalorische Verhalten zu erfassen und Dehnungsfeldmessungen (DIC) vorzunehmen.

Forschungsaktivitäten & Anwendungen

Neben der Entwicklung neuartiger elastokalorischer Kühlaggregate, Wärmepumpen und Wärmekraftmaschinen beschäftigen wir uns speziell mit der Entwicklung neuartiger Aktorikkonzepte. Hier stehen neben Endoskopen zum Einsatz in Industrierobotik und Medizintechnik speziell schnelle und energieeffiziente Greiftechnologien im Fokus. Speziell durch antagonistische Konzepte lassen sich mit diesen Materialien extrem kompakte und kostengünstige Antriebe realisieren, die aufgrund der Self-Sensing-Eigenschaft sogar ohne weitere Sensorik einen geregelten Betrieb zulassen.

Luftdruckfreier Vakuumsauger